Selbstbestimmte Entscheidungen im Kontext Sexualität und Partnerschaft – Jana Offergeld trägt auf VOICES-Fachtag vor
Entscheidungen bezüglich Sexualität und Partnerschaft sind für die meisten Menschen selbstverständlich und sehr persönlich. Vielen Menschen mit Behinderungen – insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten – werden solche Entscheidungen aber auch heute noch abgesprochen. Das EU-geförderte VOICES-Projekt bietet Personen, deren rechtliche Handlungsfähigkeit auf Basis einer Behinderung eingeschränkt worden ist, die Möglichkeit, ihre persönlichen Erfahrungen in die (Fach-)Öffentlichkeit zu tragen. Als „storyteller“ (Erzähler*innen) können sie aus ihrer Perspektive berichten, wie sie solche Einschränkung erleben. Dabei werden sie mit sogenannten „Respondents“ (Zuhörer*innen) zusammengebracht, die sie während des Projektes begleiten.
Auf dem VOICES-Fachtag am 6. September 2017 an der NUI Galway berichteten die Erzähler*innen Maria Mahony und Ronnie Harris eindrücklich, welche Auswirkungen paternalistische und defizit-orientierte Einstellungen und Gesetze noch heute auf ihr Leben und ihre Partnerschaften haben. Jana Offergeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin im AKTIF-Projekt, begleitet Ronnie Harris seit über eineinhalb Jahren als Zuhörerin. Im Rahmen des Fachtags sprachen die Beiden über seinen Wunsch, gemeinsam mit seiner Verlobten selbstbestimmt reisen und leben zu können.
Anschließend reflektierte Jana Offergeld in ihrem Beitrag, welche Barrieren ihn konkret daran hindern, und ging dabei vor allem auf die Wirkmächtigkeit informeller Einschränkungen ein: „Als ich mich als Zuhörerin für das VOICES-Projekt bewarb, erwartete ich, mit legalen Barrieren der Entscheidungsfindung konfrontiert zu werden. Es stand aber schnell fest, dass Ronnie nicht durch seinen rechtlichen Status daran gehindert wird, selbstbestimmte Entscheidungen über sein Leben zu treffen, sondern durch die Einstellungen seines sozialen Umfelds und fehlende Unterstützungsangebote.“
Die Erfahrungen von Ronnie Harris und den weiteren Erzähler*innen dienen im VOICES-Projekt als Ausgangspunkt für die Entwicklung sozialpolitischer und rechtlicher Reformvorschläge zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN Behindertenrechtskonvention. Die Ergebnisse des dreijährigen Projekts werden neben den themengebundenen Fachtagen (über strafrechtliche Verantwortlichkeit, Geschäftsfähigkeit und Verträge, Einwilligung zu medizinischer Behandlung, Einwilligung im Kontext von Sexualität und Partnerschaft) auch in einer Publikation festgehalten. Ronnie Harris selbst möchte die Teilnahme am Projekt auch dafür nutzen, seiner Familie und weiteren Unterstützer*innen zu verdeutlichen, wie wichtig es ihm ist, endlich mit seiner Verlobten verreisen zu können. „Ich verlange ja gar nicht viel. Ich möchte nur ein normales Leben mit meiner Verlobten führen, wie alle anderen.“
Die Präsentationen und Videomitschnitte des VOICES-Fachtags zur Einwilligung im Kontext von Sexualität und Partnerschaft sind einsehbar unter: https://ercvoices.com/events/consent-relationships/
Mehr über das Projekt VOICES erfahren Sie hier: https://ercvoices.com/ Neben Zuhörerin Jana Offergeld ist Prof. Dr. Theresia Degener als Beiratsmitglied an VOICES beteiligt.
Text: Jana Offergeld