„Ich will weder geheilt noch erzogen noch gepflegt werden.“
Dialogveranstaltung „Über Sozialhelden und Leidmedien“ mit Raúl Krauthausen am 07.10.2019
Gudrun Kellermann, Raúl Krauthausen, Prof. Dr. Theresia Degener (v.li.); Foto: Franziska Witzmann
Etwa 90 Studierende und Lehrpersonen der EvH fanden sich am 07.10.2019 bei der von BODYS (Bochumer Zentrum für Disability Studies) ausgerichteten Dialogveranstaltung „Über Sozialhelden und Leidmedien“ ein. Gastredner der Veranstaltung war der bekannte Berliner Behindertenaktivist, Autor und Medienmacher Raúl Krauthausen. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Theresia Degener, Professorin der EvH RWL sowie Leiterin von BODYS, und Franziska Witzmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei BODYS, organisiert und durchgeführt.
Blick vom Publikum auf das Podiumsgespräch mit R. Krauthausen und T. Degener; Foto: Ragna Löhring
Die „Sozialhelden“ und ihre Projekte
In seinem kurzweiligen Vortrag stellte Krauthausen u.a. das Konzept des „Design Thinking“ und die „Sozialhelden e.V.“ vor. Die Sozialhelden sind ein Team aus behinderten und nichtbehinderten Menschen. Sie entwickeln innovative Lösungen für eine barrierefreie Umwelt und Inklusion und suchen nach Wegen, diese auch umzusetzen. Eines der erfolgreichsten Projekte der Sozialhelden heißt „Wheelmap“. Dabei handelt es sich um eine interaktive Landkarte mit Angaben zu rollstuhlgerechten Orten. Weitere Projekte sind „Elevate“ – das Daten zu Aufzügen an Bahnhöfen liefert –, „Wheelramp“ – eine Aktion, bei der Lokale und Geschäfte mit mobilen Rampen ausgestattet werden –, „TV für alle“ – eine Website mit Angaben zur Barrierefreiheit von TV-Sendungen – und „Gesellschaftsbilder“ – eine diskriminierungsfreie Fotodatenbank vor allem zum Thema Behinderung. Das bedeutendste Projekt ist „Leidmedien“, eine Website, die sich in erster Linie an Journalist*innen und Medienschaffende richtet und Leitfäden zu einer angemessenen Berichterstattung über behinderte Menschen liefert sowie entsprechende Workshops anbietet. Kernziel der Projekte ist die Umsetzung von Artikel 8 der UN-Behindertenrechtskonvention, in dem die Bewusstseinsbildung der Gesellschaft für behinderte Menschen mit dem Ziel des Abbaus von Vorurteilen und Klischees im Zentrum steht. Eine Beschreibung der verschiedenen Projekte der „Sozialhelden“ findet sich auf der Website unter dem Link https://sozialhelden.de/.
Prof. Dr. Theresia Degener und Raúl Krauthausen im Gespräch; Foto: Gudrun Kellermann
Deutschland muss in Sachen Inklusion noch viel nachholen
Mit Blick auf die Berufsfelder, auf die sich die Studierenden der EvH vorbereiten, übte Raúl Krauthausen Kritik am Begriff „Heilerziehungspflege“: „Ich will weder geheilt noch erzogen noch gepflegt werden. Behinderte Menschen wissen selbst, was sie brauchen. Ich erwarte von Menschen, die in diesem Beruf arbeiten, ein besonderes Maß an Demut über das Ausmaß der eigenen Macht.“
Prof. Degener bestätigte im anschließenden Publikumsgespräch Krauthausens Einschätzung, dass Deutschland in Sachen Inklusion enormen Nachholbedarf habe. Sie fand aber lobende Worte für die Evangelische Hochschule RWL, die die UN-Behindertenrechtskonvention im Fokus habe und sie in den pädagogischen Studienfächern in drei Prüfungen berücksichtige. Die Dialogveranstaltung erreichte aufgrund ihrer besonderen Praxisnähe und der thematischen Verwandtschaft zu den Inhalten der EvH-Studiengänge eine sehr positive Resonanz.
Über Raúl Krauthausen
Raúl Krauthausen gründete „Sozialhelden“, studierte Kommunikationswissenschaften und ist seit über 15 Jahren in der interaktiven Medienwelt unterwegs. 2014 veröffentlichte er seine Autobiographie “Dachdecker wollte ich eh nicht werden – Das Leben aus der Rollstuhlperspektive”. Seine Website ist unter dem Link https://raul.de/ erreichbar.
Bericht: Gudrun Kellermann
Fotos (von oben): Franziska Witzmann; Ragna Löhring; Gudrun Kellermann