Hospizarbeit für Kinder ist "Unterstützung in der Normalität"

Eines wurde deutlich beim Themenabend „Entlastung für Familien mit Kindern mit schweren Beeinträchtigungen und Erkrankungen“: Anders als Hospize für Erwachsene verstehen sich Kinder- und Jugendhospize in erster Linie als Unterstützungsangebote für das Leben. Außer der Begleitung am Lebensende ist es Ziel der Kinderhospize, vor allem Leben zu ermöglichen und Familien den Raum zu geben, das Familienleben mit ihrem schwer kranken Kind nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu leben und zu gestalten.

Der Themenabend „Entlastung für Familien mit Kindern mit schweren Beeinträchtigungen und Erkrankungen“ fand am 03.11.2021 im Rahmen der digitalen Angebotsreihe „Wege finden“ des BODYS-Projekts "BeWegt" statt. 15 Teilnehmer*innen, Eltern und professionelle Akteure, waren dabei. Das Projektteam freute sich, die folgenden Gäste mit einem Beitrag begrüßen zu dürfen:

  1. Herrn René Meistrell, Einrichtungsleitung sowie Pädagogische Leitung und Frau Annemarie Köhli, Case Management: Aufnahmeplanung, Koordination & Beratung, beide vom Kinder- und Jugendhospiz Bethel,
  2. Frau Brigitte Huke, ambulanter Kinderhospiz Dienst aus Bonn sowie
  3. Frau Corinna Bell, Case Managerin im Bunten Kreis Bonn.

Begleitung im Leben

Zunächst stellte Frau Köhli, die nacheigener Aussage das „Nadelöhr“ zwischen Familien und erster Aufnahme ist, das Angebot des Kinder- und Jugendhospizes Bethel vor. Dies besteht inzwischen seit zehn Jahren und bietet 10 Plätze für Kinder und Jugendliche an. Als Gäste dürfen Kinder ab der Geburt bis zu ihrem 27. Lebensjahr, ab Diagnosestellung einer lebensbedrohlichen oder lebensbegrenzenden Erkrankung, begleitet werden. Dies bedeutet, dass aufgrund einer Beeinträchtigung oder Erkrankung eine verkürzte Lebenserwartung vermutet werden, was aber auch sehr viel später erst im Erwachsenenalter eintreten kann. Dies stellt damit einen entscheidenden Unterschied zum Angebot der Erwachsenenhospize dar (die eine Begleitung in der letzten Lebensphase ermöglichen). Das Kinder- und Jugendhospiz Bethel bietet in dieser Form insbesondere Begleitungs- und Entlastungsaufenthalte für die ganze Familie, sodass nicht nur das Kind oder der Jugendliche, sondern die ganze Familie im Fokus des Unterstützerteams stehen. Dieses besteht u.a. aus einem 40-köpfigen Pflegeteam: In enger Absprache mit den Angehörigen und mit Blick auf die Bedürfnisse aller, übernimmt das Team die alltägliche Pflege des Kindes und ermöglicht den Eltern so eine Pause. Zudem bietet ein pädagogisches Team im und außerhalb des Hauses ein buntes Programm für Kinder und Geschwisterkinder an. Bei den Aufenthalten erhalten Familien die Gelegenheit, untereinander in Kontakt zu kommen und sich austauschen.

Digitaler Rundgang durch das Kinder- und Jugendhospiz Bethel

Die Besucher*innen des Themenabends wurden auf einen digitalen Rundgang durch die Räumlichkeiten mitgenommen. So konnten die Zimmer besichtigt werden, in ihrer Ausstattung immer auf die individuellen Bedürfnisse der Gäste angepasst werden. Jedem Gast steht ein Einzelzimmer zur Verfügung. Des Weiteren laden ein großer Speiseraum, ein gemütliches Wohnzimmer, ein abwechslungsreiches Spielzimmer sowie ein schön angelegter Garten zum Wohlfühlen und Regenerieren ein. Den begleitenden Familienmitgliedern stehen gemütliche Hotelzimmer oder Familien-Appartements zur Verfügung. Auch Therapien der Gäste können selbstverständlich weitergeführt werden. Dafür können u.a. ein Kreativraum und Snoozelraum genutzt werden. Laut gesetzlicher Krankenkassen besteht ein Anspruch auf 28 Tage Aufenthalt in einem Kinder- und Jugendhospiz pro Jahr. Das Team rund um Frau Köhli unterstützt gerne bei der Antragsstellung. In diesem Zusammenhang stehen auch die jeweiligen Krankenkassen beratend zur Verfügung.

Das Kinder- und Jugendhospiz Bethel unterstützt auch bei einer gesundheitlichen Verschlechterung des Kindes und bemüht sich immer, für Familien in Notsituationen und in der finalen Begleitung da zu sein. Hierfür steht auch das Angebot eines Abschiedsraumes zur Verfügung, der individuell gestaltet werden kann und den Familien mehr Zeit zum Abschiednehmen schenkt.

Die Wege zum Kinder- und Jugendhospiz sind vielschichtig. Familien kommen auf Empfehlung anderer Familien über ambulante Pflege- oder Kinderhospizdienste oder in Notsituationen zu uns, berichtete Frau Köhli.

Hospizarbeit ambulant

Im zweiten Teil des Abends berichtete Frau Brigitte Huke von ihrer Tätigkeit im ambulant arbeitenden Kinderhospizdienst. Dieser wurde in Bonn als Verein betroffenen Familien gegründet, es gibt ihn aber als Angebot in ähnlicher Form in vielen anderen Städten, wie auch in Bielefeld.

In unserer Arbeit sehen wir die Familien als Experten in eigener Sache – dies ist für uns handlungsleitend, so Frau Huke. Auch der ambulant arbeitende Kinderhospizdienst begleitet Familien, in denen ein Kind von einer seltenen oder lebensbedrohenden Erkrankung betroffen ist. Ziel ist es, Leben zu ermöglichen und Familien den Raum zu geben, ihr Familienleben mit ihrem Kind nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu leben und zu gestalten.

Auch dieses Angebot richtet sich an die ganze Familie und wird im häuslichen Umfeld der Familie angeboten. In einer Familie können dabei mehrere ehrenamtliche Mitarbeiter*innen begleiten, wenn es z.B. unterschiedliche Bedürfnisse bei den Kindern, Geschwistern oder Eltern gibt. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen unterstützen nach deren Wünschen und Bedürfnissen, z.B. bei Freizeitaktivitäten oder zur Entlastungen in Alltagssituationen und sieht sich als „Unterstützer in der Normalität“. Das Angebot konnte inzwischen auch auf junge Erwachsene erweitert werden, so dass sich die Begleitungsspielräume glücklicherweise verlängert haben.

Das spendenfinanzierte Angebot leistet neben der individuellen Begleitung in den Familien auch Vernetzungsarbeit. Alle ehrenamtlichen Mitarbeitenden haben eine umfangreiche Fortbildung besucht und stehen den Familien auch zur Seite, wenn es um Fragen von Trauer oder um die Begleitung in der letzten Lebensphase geht. Hierbei bestimmen immer die Eltern den Rahmen und das Tempo, so Frau Huke.

Entlastungsangebote im häuslichen Bereich

Im dritten Teil des Abends stellte Frau Bell, Case Managerin vom Bunten Kreis in Bonn, überblicksartig weitere Entlastungsangebote für den häuslichen Bereich vor.
Zunächst gab sie einen Überblick über Leistungen der Pflegeversicherung, hierunter die Möglichkeiten der Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege und die Verwendung des Entlastungsbetrages. Auch Leistungen der Eingliederungshilfe und Jugendhilfe können unter bestimmten Bedingungen für Entlastungsangebote genutzt werden. Für weiteren Bedarf an Beratung diesbezüglich steht Frau Bell gerne zur Verfügung.

Vielen Dank an alle Referentinnen, Referenten und Interessierten dieses Abends. Es war ein gelungener und informativer Austausch!

(c) BeWegt

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