(Chronische) Krankheit in Theater und Kunst

Bericht über den Gastvortrag von Hendrik Quast am 24.05.2023 an der EvH

Hendrik Quast mit orangebrauner Handpuppe

Einen Vortrag der besonderen Art erlebten 35 Studierende und vier Lehrpersonen aus Lehrveranstaltungen im Schnittfeld der Disability Studies, zu dem Prof. Dr. Theresia Degener und Franziska Witzmann im Namen von BODYS eingeladen hatten. Extra aus Stockholm (Schweden) angereist war der Referent Hendrik Quast, Theaterwissenschaftler, PhD-Kandidat und Performancekünstler. Eindrucksvoll schilderte er in seinem Vortrag „Crip ventriloquism“ („Krüppel-Bauchreden“) seine inneren Konflikte, wie er im Lauf seiner Karriere als Theaterschauspieler eine chronische Darmerkrankung erwarb und sich der Frage stellen musste, ob und wie er seine neue unsichtbare Beeinträchtigung in beruflichen Kontexten offenbaren wollte. Schlussendlich entschied Quast sich für Aktivismus gegen Ableismus und für Sichtbarkeit von Krankheit und Behinderung in künstlerischen Produktionen.

Behinderung spielt in seiner Arbeit nicht von Anfang und nicht durchgängig eine Rolle. Er tritt auch als Drag auf und persiflierte als Katzenmensch ein Lied aus „Cats“ und die Präparation einer Maus (Trailer „Mohrle“, 2015), und in „Hundeplatz“ (2018) überzeichnete er die Liebe vom Menschen zum Hund. Nach seinem – wie er es selbst nennt – „kranken Coming Out“ im Beruf brachte er seine Krankheit produktiv in sein künstlerisches Schaffen ein. Das Besondere: Quast nähert sich dem Thema mit Humor. Witz dient ihm zur Selbstermächtigung. Die Krankheit lässt er als Klappmaulpuppe auftreten, die er mittels der Bauchredekunst sprechen lässt. Mit der Puppe erkundet und überwindet Quast Schamgrenzen, bei sich und beim Publikum. Einen Ausschnitt hieraus zeigt das Video mit dem Titel „Spill your Guts“. Ein autoethnografisch wichtiger Meilenstein war das Pantomime-Stück „Dancer with Cancer“ (2020), bei dem er in Zusammenarbeit mit krebskranken Menschen erstmals Krankheit und Theater zusammenführte. So nennt Quast seine Arbeit auch „Krankes Theater“.

Herausforderung für seine Arbeit als Theaterwissenschaftler und Künstler sind der zusätzliche Zeitaufwand und die Unannehmlichkeiten, die seine Krankheit mit sich bringt, z.B. Schmerzen, Gefühle der Scham und Schuld, Erschöpftheit, pflegerische Aspekte, Vorsorge. Dieses in der aktivistischen Behindertengemeinschaft auch als „crip time“ („Krüppel-Zeit“) bezeichnete Mehr an Zeit thematisiert Quast in seiner Arbeit als forschender Künstler.

Quast leistete mit seinem Vortrag für die Studierenden der EvH ein wichtiges Stück Aufklärungsarbeit im Rahmen der Disability Studies und Disability Arts.

Bericht: Gudrun Kellermann

Bildquelle: Hendrik Quast

 

Hendrik Quast promoviert seit 2023 als forschender Künstler an der Stockholm University of the Arts (SKH) und war im Rahmen seiner Forschungen zuletzt in Japan. Wir danken BODYS-Kooperationspartner Nagase Osamu vom Institute of Ars Vivendi, Ritsumeikan University, Kyoto, für die Herstellung des Kontakts.

Website von Hendrik Quast: https://www.hendrikquast.de/

 

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