„A dream came true!“ – Hochrangig besetztes Forschungstreffen zur UN-BRK

BODYS-Team mit Verena Bentele, Foto: Björn Taupitz

Wenn Wissenschaftler_innen von Hochschulen aus Australien, Irland, Indien und Deutschland, eine Richterin des Bundesverfassungsgerichtes, eine UN-Sonderberichterstatterin, die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und der Sekretär des UN-Fachausschusses zur UN-Behindertenrechtskonvention an einem Nachmittag gemeinsam referieren, dann kann das eigentlich nur an der EvH RWL stattgefunden haben. Für Prof. Dr. Theresia Degener, Leiterin von BODYS, dem Bochumer Zentrum für Disability Studies, wurde deshalb ein Traum an diesem 14. Januar 2016 wahr.

„Rights-Based-Research and the CRPD“, so lautete das Motto der englischsprachigen Veranstaltung, die von Dr. Anna Arstein-Kerslake (Universität Melbourne) moderiert wurde. Sie wies in ihren Eingangsworten darauf hin, dass menschenrechtsbasierte Forschung auf der Stimme der Behindertenbewegung basieren müsse und nicht darauf, was die Politik oder etablierte Wissenschaft für wichtig erachte. Rektor Prof. Dr. Gerhard K. Schäfer betonte in seiner Eröffnungsrede, dass die EvH RWL die einzige Hochschule in Deutschland sei, die regelmäßig Lehrkräfte und Studierende zu den Sitzungen des UN-Fachausschusses nach Genf entsende. Als anwendungsorientierte Hochschule komme es darauf an, gut begründete Theorie und Forschung für den sozialen Wandel zu erhalten.

Der menschenrechtsbasierte Ansatz in der Forschung müsse in Deutschland gestärkt werden, betonte Verena Bentele, Behindertenbeauftragte der Bundesregierung in ihrem Grußwort. Mit aussagekräftigen Statistiken könne ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen besser ermöglicht werden. Dieser Aussage konnte sich Catalina Devandas Aguilar, UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, nur anschließen: „Ich bin auf die Ergebnisse menschenrechtsbasierter Forschung angewiesen. Zum Beispiel benötige ich Informationen über Menschenrechtsverletzungen oder über Alternativen zu aussondernden Konzepten.“

Prof. Dr. Theresia Degener stellte dann die Entwicklung des menschenrechtlichen Modells von Behinderung vor, das eine Fortentwicklung vom medizinischen über das soziale Modell sei. Mit Bezug auf die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln machte sie klar, dass eine Fokussierung auf das Konzept der Menschenrechte die beste Antwort auf Menschenrechtsverletzungen sei.

Ein weiterer Höhepunkt war die Rede von Bundesverfassungsrichterin Prof. Dr. Dr. h.c. Susanne Baer: „Für Richterinnen und Richter ist wichtig, dass gut formulierte Fälle an sie herangetragen und Daten und Forschungsergebnisse verständlich dargelegt werden“, so Baer. Die Verfassungsrichterin entwickelte vier Eckpunkte für die Zukunft der rechtebasierten Forschung:

  • Recht muss als Antrieb für die Entwicklung von Politik verstanden werden. In dieser Hinsicht sei auch der Zusatz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ in Artikel 3 des Grundgesetzes noch zu wenig in die Rechtsprechung eingebracht worden.
  • Recht kann hilfreich, aber auch eine Barriere sein: „rights will never give justice“, so Baer.
  • Aspekte von Mehrfachdiskriminierung sowie internationale Entwicklungen seien zu beachten. Vor allem quantitative Daten seien wichtig, die aber ohne Stigmatisierung behinderter Menschen erhoben werden müssten.
  • Die Ergebnisse der Wissenschaft sollten in die Politik getragen werden und wieder und wieder erläutert werden, bis sie angekommen seien.

Jorge Araya, Sekretär des UN-Fachausschusses erläuterte den derzeitigen Stand der Ratifikationen der UN-Behindertenrechtskonvention und führte aus, dass Forschung die nationale Umsetzung sowie das Beschreiten des Rechtsweges befördern könne. Derartige Fälle müssten allerdings gut vorbereitet sein, wenn sie erfolgreich sein sollen. Er empfahl den Schulterschluss mit den UN-Überwachungsausschüssen sowie den Sonderberichterstatter_innen auch unter dem Aspekt, dass manche UN-Ausschüsse noch wenig über die Vorgaben der UN-BRK wüssten, etwa beim Thema „Freiheitsentzug aufgrund einer Behinderung“.

In der Diskussion wurde zusätzlich herausgehoben, dass es um partizipative und emanzipatorische Forschung gehen müsse, jedoch nicht nur in den industrialisierten Ländern. Menschenrechtsbasierte Forschung sei außerdem nicht nur für Menschen mit Behinderungen hilfreich, sondern für die ganze Gesellschaft. Ferner müsse auch das theoretische Konzept des Ableism eine Rolle spielen.„Das war für mich heute das Woodstock der menschenrechtsbasierten Forschung“, so das Fazit einer Teilnehmerin nach den Vorträgen und einer Panel-Diskussion, „man musste einfach dabei gewesen sein!“

Text: Hans-Günter Heiden
Fotos: Julia Taubitz

Einladung 14.1.2016 (nicht barrierefrei)

Programm 14.1.2016 (nicht barrierefrei)

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